Österreich hat sich bei der öffentlichen Beschaffung von Lebensmitteln hohe Ziele gesteckt. Bisher existieren verbindliche Quoten für Bio und Tierwohl aber nur auf dem Papier. Danke Verena Kainrath für den Artikel!!
Österreich steckt sich bei der Ökologisierung der Landwirtschaft ehrgeizige Ziele. Bis 2027 soll diese zu 30 Prozent biologisch bewirtschaftet werden. Bis 2030 will die Regierung den Anteil von derzeit 27 auf 35 Prozent erhöhen. Den Absatz in Schwung zu bringen überlässt sie aber vorwiegend privaten Haushalten und Gastronomen. Bei ihrer eigenen Beschaffung von Lebensmitteln legt die öffentliche Hand weder auf Bio noch auf weniger Tierleid viel Wert.
Mindestens 25 Prozent der Lebensmittel für Einrichtungen des Bundes, von Schulen über Kantinen bis zu Justizanstalten und Mensen, müssen heuer biologisch sein. Mindestens 30 Prozent sind ab dem Jahr 2025 vorgesehen, 55 Prozent ab 2030. Das sieht der Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung vor, zu dem sich die Regierung verpflichtet hat.
Für die Umsetzung ist das Klimaministerium zuständig, für die Bereitstellung der dafür nötigen Budgets das Finanzministerium. 2021 wurde der Aktionsplan überarbeitet.
Im Juli dieses Jahres wies das Finanzministerium die Bundesbeschaffung an, auch die aktualisierten Inhalte anzuwenden. Die Bilanz aller Weisungen und verbindlichen Erklärungen: Mit gutem Beispiel voran geht die Regierung bisher allein auf dem Papier.
Viel Luft nach oben
Ein Blick des STANDARD hinter die Kulissen offenbart Bioquoten im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Eine Auswahl der größten Rahmenvereinbarungen zeigt bei Fleisch heuer Einkäufe im Volumen von 40 Millionen Euro. Für Bio waren drei Millionen reserviert, geht aus Ausschreibungsunterlagen der Bundesbeschaffung hervor. Bei Molkereiprodukten waren 2021 bei einer Laufzeit von drei Jahren 20 von 129 Artikel biologisch. Bäckermehle wurden 2023 nur zu 0,6 Prozent bio ausgeschrieben. Auch bei Obst und Gemüse wurden die Vorgaben von 25 Prozent nicht erfüllt.
In der Biobranche, die mit Blick auf stärkere Nachfrage der öffentlichen Hand, ihre Kapazitäten ausbaute, brodelt es. Landwirte wie Verarbeiter fühlen sich im Stich gelassen und weichen auf Exportmärkte aus. Ein offener Brief führender Betriebe an das Finanzministerium ist in Vorbereitung. Eine parlamentarische Anfrage der Grünen liegt diesem bereits vor. Vereinbarte Kriterien können maßgeblich zu einer Ökologisierung der Landwirtschaft und Umstellung auf mehr Tierwohl beitragen, heißt es darin. Vergangene Ausschreibungen würden diese bei weitem nicht erfüllen.
Eine Anfrage der Neos folgt demnächst, bestätigt Neos-Landwirtschaftssprecherin Karin Doppelbauer. „Wir wollen wissen, wie hoch die Bioanteile tatsächlich sind. Die Regierung hat das, was sie verspricht, auch einzuhalten.“
Bauern müssten von ihren Produkten leben können und unabhängiger von Förderungen werden, sagt Doppelbauer. Bio in öffentlicher Beschaffung sei ein wichtiger Hebel.
Debatte über Kosten
In vielen Ministerien stieß die Branche bei der Umsetzung des Aktionsplans auf Mauern, zumal auch keine Sanktionsmöglichkeiten installiert wurden. VP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig traf sich gestern, Donnerstag, mit ihren Vertretern – und hofft, Bewegung in nachhaltige Beschaffung zu bringen.
„Derzeit hinkt die öffentliche Hand eigenen verpflichtenden Vorgaben massiv hinterher“, kritisiert Barbara Holzer-Rappoldt. Der Leiterin des Vereins Enkeltaugliches Österreich zufolge kauften dem Bund zugeordnete Einrichtungen nur vier Prozent ihrer Lebensmittel in Bioqualität. Zum Vergleich: In Österreichs Lebensmittelhandel liegt der Bioanteil bei 11,5 Prozent, in der Gastronomie bei sieben.
Gemeinschaftsverpfleger rechnen bei einer Umstellung auf Bio mit Mehrkosten von bis zu 30 Prozent. Holzer-Rappoldt lässt Sorge vor teurerer Ausspeisung nicht gelten. „Wer zahlt Klimastrafen, die Österreich infolge zu hoher CO2-Emissionen drohen, wer die Folgekosten der konventionellen Produktion?“ Der größere finanzielle Aufwand amortisiere sich rasch.
Regional versus bio
Nicht stichhaltig ist für sie auch das Argument drohender Engpässe: Bio sei für die öffentliche Versorgung ausreichend verfügbar. Das belege eine Studie der Wiener Boku. Produzenten stünden in den Startlöchern. Säumig sei allein die öffentliche Hand.
Kein Ersatz für Bio ist ihrer Ansicht nach regionaler Einkauf: Allein um Österreichs regionale Schweine zu füttern, brauche es mehr als 250.000 Hektar Agrarfläche in Südamerika. „Mit Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun.“
Barbara Riegler, Obfrau der Bio Austria, nennt die bisherige öffentliche Biobeschaffung „einen Papiertiger“. Die Regierung müsse Verantwortung für Ziele übernehmen, die sie sich selbst gesteckt habe. Riegler vermisst biokonforme Ausschreibungen und Transparenz über die tatsächlichen Bioanteile.
Ruf nach Monitoring
Wie sie fordert auch Olga Voglauer, Landwirtschaftssprecherin der Grünen, ein Monitoring der Bundesbeschaffung, um belastbare Daten zu schaffen, die alle Bezugsquellen abbilden. „Ausschreibungen müssen benutzerfreundlicher werden.“ Es brauche kürzere Laufzeiten, zudem mehr kleinere und eigene Biolose, damit nicht nur große, eingesessene Anbieter bei Aufträgen zum Zug kommen.
Experten beziffern das Volumen an Nahrungsmitteln, das über die öffentliche Hand gekauft wird, mit jährlich bis zu 180 Millionen Euro. Rund die Hälfte werde über die Rahmenvereinbarungen des Bundes gekauft.
Das Bundesheer zählt neben den Justizanstalten zu den größten Beschaffern. Das Heer lässt sich von Bioproduzenten bereits stark beliefern. Strafanstalten haben das Nachsehen. Strukturen im Einkauf der Großküchen erweisen sich vielerorts als resistent gegen Veränderungen. Die Komplexität. die sich aus der großen Zahl an Beteiligten ergibt, wurde nicht selten unterschätzt.
Starke Hebel
Während der Aktionsplan für Bundeseinrichtungen verbindlich ist, erfüllen diesen Gemeinden und Länder bei der Versorgung ihrer Spitäler, Schulen, Kindergärten und Pflegeheime nur auf freiwilliger Basis.
Sie gelten neben den Ministerien als wesentlicher Antrieb, um den Markt für Bio und Tierwohl einen Schub zu verleihen. Während Länder wie Wien eine Vorreiterrolle übernehmen, lassen andere wie Kärnten völlig aus – auch wenn ein Beschluss des Landtages einen Bioanteil bei der öffentlichen Beschaffung von 30 Prozent bereits bis 2018 vorsah.
Heuer goss eine Ausschreibung der Krankenanstalten Öl ins Feuer. Bis 2026 habe die Kabeg als größter Kärntner Lebensmittelabnehmer nur minimalste Mengen an Biomolkereiprodukten bestellt, ließ der Verband Bio Austria die Landesregierung wissen. Es zeichne sich ein Bioanteil von weit unter einem Prozent ab. Qualitätskriterien seien allein an Geschmack, Aussehen und Konsistenz festgemacht worden. Man fühle sich in Kärnten um mindestens zwei Jahrzehnte zurückversetzt.
„Rechnung ohne den Gast“
Woran scheitert mehr Nachhaltigkeit aus Sicht betroffener Betriebe? Friedrich Schober, der für die Beschaffung von 55 Mensen unter dem Dach des Bundes zuständig ist, führt zu hohe Kosten ins Treffen. Seine Betriebe müssten sich am freien Markt behaupten. „Wir bekommen keinen Cent vom Staat.“ Er bemühe sich, weitgehend regional einzukaufen. Mehr Bio auf de Teller gelinge jedoch nur über zusätzliche finanzielle Zuwendungen, wie es etwa die Kepler-Uni und die Boku vorlebten.
Lässt sich nicht über mehr vegane und vegetarische Küche deutlich sparen? „Hier macht man die Rechnung ohne den Gast“, sagt Schober. „Studierende und Arbeitende wollen Fleisch auf dem Teller.“ Größere Beilagen und kleinere Fleischportionen hätten vielerorts für „einen Aufschrei“ gesorgt. (Verena Kainrath, 10.11.2023)